Blogevent der Frau Hilde: Schulerlebnisse

Die liebe Frau Hilde hat um Beiträge zum Thema Schulerlebnisse gebeten:

Aus meiner Schulzeit habe ich keine expliziten Erlebnisse parat. Es ist eher ein Gefühl. Ein genereller Schrecken.

Meine Noten waren immer zufriedenstellend. Um die brauchte ich mich nie sorgen. Die Lehrer waren einfach nur Erwachsene und spielten keine Rolle. Man musste einfach nur nett sein. Klappte bei allen Frauen und der Hälfte der Männer. Wenn ich an meine Schulzeit denke, denke ich an meine Mitschüler. Wer wir waren und was wir uns gegenseitig angetan haben. Deshalb der Schrecken, der geblieben ist.

Es gab die Stereotypen, wie man sie aus jeder Highschool-Serie kennt. (Ich liebe diese übrigens. Veronica Mars und Buffy Summers sind meine Helden. Immer noch. Originelle Außenseiter, die sich dem Gruppenzwang widersetzen und ihren eigenen Weg gehen.) Wir hatten die langweiligen Streber (Nerds); die Streber, die es irgendwie schafften, dass man sie für cool hielt; Dumme, die als cool galten und Dumme, über die man sich aufregte. (Es gab auch einige wenige Individualisten, aber Einzel-‚kämpfer‘ war ich selber.) Cool war das Zauberwort und es zählte die kollektive Meinung. Meine Noten waren durchschnittlich, mein Coolnessfaktor unterirdisch. Und das nagte an mir, was mich noch uncooler machte. Ich gehörte nirgendwo dazu und verstand nicht, warum. (Vor allem verstand ich nicht, was manchen Idioten cool machte.) Ich habe auch einige Gruppen ausprobiert: die Streber (Nein, ich spiele leider kein Instrument und nein, ich habe Max Frisch nicht gelesen. Wieso ist Fantasy uncool? ), die ‚dummen’ Coolen (Okay, bloß nicht anmerken lassen, dass du noch nie geraucht hast. Hoffentlich lassen die mich nicht mit diesen Typen allein, die sind alt und sehen finster aus. Scheiße, ich kann nichts beitragen zum Thema ‚Pornofilme gucken mit dem festen Freund‘, denn ich habe noch nicht mal geknutscht.), die Nerds (Mangas und Animes finde ich ja auch cool, aber warum müssen wir bei dem schönen Wetter Zelda spielen?). Ich fand meine Leute später außerhalb der Schule und überhaupt wurden wir alle irgendwann wesentlich entspannter. Aber bis dahin ist es ein weiter Weg gewesen.

Als größtenteils gruppenungeschütztes uncooles Individuum war ich Zielscheibe. Jungs mussten sich immer wieder beweisen, dass es noch Leute gibt, die vor ihnen Angst haben. (Und ich bin ein schrecklicher Angsthase.) Leider waren es manchmal auch die, die ich süß fand. So wurde einmal ein Bild von mir zerrissen, das ich gemalt hatte. Anstatt mich zu wehren, hab ich mich natürlich verkrochen. Fürchterlich wütend und traurig (innerlich) war ich auch, als ein wunderschön bunt geringelter Handschuh von mir zerschnitten wurde. Auch sonst wurde ich gerne beschimpft oder ignoriert. Schlagfertigkeit war nicht meine Stärke und ich nahm jedes Wort persönlich (ich war auch echt empfindlich).

Die Mädchen machten sich einen Spaß daraus, meine Unerfahrenheit vorzuführen, mich mit ihren Bettgeschichten zu schockieren (prüdes Elternhaus grüßt) oder meine Gutgläubigkeit und meinen Wunsch, dazu zu gehören, auszunutzen (ich verleihe nie wieder Geld).

Beschämenderweise war ich nicht besser. Ich war immer froh, wenn jemand anders dran war und habe mich gern beteiligt. Gab es mir doch das Gefühl, zu den Coolen zu gehören. Als meine Klassenlehrerin mich neben den unförmigen, kleinen, meine-Mutter-bringt-mich-jeden-Tag-zur-Schule-und-holt-mich-ab – Jungen setzte, war ich empört und fühlte mich bestraft. Ich saß immer am äußersten Ende des Tisches und versuchte auf die Art deutlich zu machen, dass ich nicht mit ihm sympathisierte. (Der arme Kerl hatte viel auszuhalten. Unter anderem wurde er mit nassen Tampons beworfen.) Als eine neue Mitschülerin, die von allen wegen ihres starken Übergewichtes gehänselt wurde, versuchte, Kontakt mit mir aufzunehmen, war ich – freundlich ausgedrückt – abweisend. Meine Heldinnen hätten ihnen beigestanden.

Meine Schulzeit war eine einzige Lektion in Sozialverhalten und Charakterbildung. Und ich habe keinen der Tests bestanden.

10 Gedanken zu „Blogevent der Frau Hilde: Schulerlebnisse

  1. handvolldackel

    Schule ist die Hölle, das haben wir doch bei Buffy gelernt 🙂
    Ich habe mich auch gerade ein bisschen erschreckt: Waren wir auf der gleichen Schule?! Ich habe auch erst nach langen Jahren Frieden damit geschlossen, dass ich klassische Literatur, die ich eigentlich mögen sollte, weil sie gut ist, eher langweilig finde, und lieber Fantasy lese. Ist heute noch so.
    Gemobbt wurde ich auch, ich hatte dann irgendwann eine Punkphase und sah selbst so erschreckend aus, dass den anderen das Mobben verging. Das ist Schule eben auch: Man lernt aus seinen Fehlern, schämt sich in den Schlaf, für die Dinge, die man getan/nicht getan hat, und man steht auf und … macht entweder den selben Fehler nochmal oder macht etwas anders.

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    1. psychoberta Autor

      Jetzt fühle ich mich mit dir verbunden, weil es dir auch so ging. Aber eigentlich wünsche ich diese Erfahrungen nicht meinem ärgsten Feind. In dem Alter sollte man unbeschwert sein, neugierig, furchtlos. Kinder sind grausam. Punk klingt cool ( 😉 ). Bin leider nie über die schwarzen Fingernägel hinaus gekommen. 🙂

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      1. handvolldackel

        Ich glaube, es ging uns allen so, oder? Ich werde misstrauisch bei Leuten, die mir sagen, dass die Schulzeit die schönste Zeit des Lebens war. Kinder sind tatsächlich ziemlich grausam, und es gibt auch einige Dinge, deren Nicht-Tun von damals ich heute noch bedaure.
        Lektion gelernt.
        Schwarze (Ränder unter den) Fingernägeln habe ich heute noch, der Rest hat sich mit den Jahren gemildert 😉 Heute bin ich eben ein Marshmallow.

      2. psychoberta Autor

        Oooooooh, Marshmallow. I got it. 🙂
        Natürlich lernt man daraus. Man lernt, wie wichtig es ist, man selbst zu sein. Aber es prägt. Und ich für meinen Teil bin schon ein bißchen geschädigt für mein weiteres Leben. (Angst vor großen Gruppen, Misstrauen) Wie muss es dann erst Leuten gehen, denen es noch schlechter erging. Die gaaaanz am Ende der Nahrungskette waren. Die immer wieder die Schule wechseln mussten. Es gibt Kinder, die sich umbringen wegen solchem Scheiß. Und ich glaube nicht, dass jeder sein Fett abgekriegt hat. Niemals. Das Leben ist nicht fair.
        Aber ich will auch gar nicht bitter klingen. Ich habe es kapiert. Ich habe es gelernt. Und ich gebe mir Mühe, es besser zu machen. Den Einfluss, den ich auf die Menschen in meiner Umgebung habe, einen positiven sein zu lassen.
        Aber es macht mich wütend. Für alle Generationen, die noch kommen. Auch, wenn ich es für sie nicht ändern kann. Und ich frage mich automatisch, was ich meinem Kind mitgeben könnte (sollte ich irgendwann eins haben), damit es gar nicht erst unter die Walze kommt.

  2. handvolldackel

    Jepp, die Schulzeit prägt – im Guten wie im Schlechten. Man lernt daraus, auch wenn man dabei vielleicht so manchmal ein bisschen den Glauben an das Gute im Menschen verliert.
    Als in der Kindererziehung völlig Unbedarfte würde ich mal sagen, dass das ein echtes Crux ist – du kannst dein Kind nicht vor allem beschützen. Aber du kannst ihm auf den Weg geben, was Richtig und was Falsch ist. Und auf das Beste hoffen.

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  3. Tinalise

    Oh, das ist echt traurig zu lesen. Ich weiß nicht, ich war auch sicherlich nicht cool und hab‘ zu keiner besonderen Gruppe gehört, aber ein paar ebenso gruppenlose Gleichgesinnte hab‘ ich gefunden, Seelenverwandte könnte man sagen, und ich bin da sehr froh drum. Meine Schulzeit war tatsächlich sehr schön (allerdings nicht „die schönste im Leben“, das ist dann doch was übertrieben und außerdem sollte man sowas vllt auch erst am Ende seines Lebens, also wenn man seeeehr alt ist :D, beurteilen), weil ich immer ein paar ganz tolle Menschen an meiner Seite hatte. Dann ist Coolness auch irgendwann nicht mehr so wichtig.
    Ist allerdings wirklich sehr traurig, wenn man das nicht hatte, das stelle ich mir ziemlich hart vor. :/
    LG, Tina

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  4. Mona

    Wow, bist du ehrlich! Das finde ich total bewundernswert. Die meisten jammern, wie schlecht sie es hatten in der Schulzeit und wie sehr sie gemobbt wurden, aber zuzugeben, dass man bei Schwächeren durchaus auch mitgemacht hat – also ich finde schon, dass du den Test bestanden hast!

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